Labordiagnostik
Um die Diagnoserate von Menschen mit primären Immundefekten (weiter) zu erhöhen, wurde im Jahr 2017 die interdisziplinäre S2k-Leitlinie zur PID-Diagnostik überarbeitet. Es wurde besonders darauf geachtet, Hintergrundinformationen und Empfehlungen zur Diagnostik primärer Immundefekte für Ärzte ohne immunologischen Schwerpunkt zusammenzufassen. Federführend waren dabei zwei Fachgesellschaften, die Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Immunologie (API) und die Deutsche Gesellschaft für Immunologie (DGfI).
Wie werden PID diagnostiziert?
Deuten Warnzeichen auf einen primären Immundefekt hin, wird empfohlen, ein Differenzialblutbild zu erstellen und die Immunglobuline (IgG, IgA, IgM & IgE) zu bestimmen. Etwa die Hälfte der Patienten mit einem primären Immundefekt ist von einer Antikörpermangelerkrankung betroffen. Daher ist eine Messung der Immunglobulin-Level sehr aufschlussreich. Bei der Beurteilung der Ergebnisse müssen immer die altersabhängigen Normwerte berücksichtigt werden.[25]Differentialblutbild
Auffälligkeiten des Differentialblutbildes, die auf einen primären Immundefekt hinweisen und weiter abgeklärt werden sollten, sind:
- Eine niedrige Anzahl an Leukozyten, Lymphozyten, Neutrophilen, Monozyten oder Thrombozyten
- Eine Eosinophilie
- Morphologische Auffälligkeiten in einem Blutausstrich [25]
Bestimmung der Immunglobuline
Untersucht werden die vier Hauptklassen IgG, IgA, IgM und IgE. Es gibt keine festgelegten Grenzwerte für die Diagnose eines PID, ein IgG-Wert unter 3 g/l bei Jugendlichen und Erwachsenen oder ein Wert deutlich unter dem altersabhängigen Referenzwert bei Kindern sollte jedoch auf jeden Fall eine weiterführende Diagnostik veranlassen.[33] Aber auch ein erhöhter Immunglobulin-Spiegel kann auf ein defektes Immunsystem hinweisen (insbesondere IgE und IgM).[25]
Die Basisdiagnostik umfasst die Immunglobuline G, A, M und E und ein großes mikroskopisch differenziertes Blutbild.
Kernempfehlung der Leitlinie
„Es kann trotz normaler Basisdiagnostik ein primärer Immundefekt vorliegen. Falls der klinische Verdacht auf einen primären Immundefekt trotz normaler Basisdiagnostik fortbesteht, soll ein in der Immundefektdiagnostik erfahrener Arzt kontaktiert werden.“[25]
Molekulargenetische Diagnostik
Die nächste Stufe der Diagnostik ist die molekulare Diagnosestellung. Diese erlaubt nicht nur eine genetische Beratung der Betroffenen, sondern wird zunehmend auch als Grundlage für die Anwendung spezifischer Therapiekonzepte genutzt. Dabei kann entweder die Sanger-Sequenzierung oder das Next Generation Sequencing (NGS) genutzt werden.[25]
Zeigen Patienten klare klinische und immunologische Phänotypen, ist die Sanger-Sequenzierung die Methode der Wahl. Dabei wird nur das für diesen Phänotypen spezifische Gen analysiert. Bei unklaren Phänotypen wird eine Multi-Genanalyse bevorzugt. Die Einführung des Next Generation Sequencing (NGS) im Jahr 2010 leitete eine neue Ära der molekulargenetischen Diagnostik ein.[25] Die einfache, kostengünstige und parallele Analyse von verschiedenen Genen ließ die Anzahl der definierten primären Immundefekte ansteigen und zeigte gleichzeitig die phänotypische und genetische Vielfalt der Erkrankung.[6]
Es existieren über 400 PIDs, die auf Mutationen an über 430 Genen zurückzuführen sind.[38] Es ist daher wichtig, mit Experten für die Diagnostik und Behandlung primärer Immundefekte zusammenzuarbeiten.[25] Eine Liste der entsprechenden Kollegen gibt es auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Immunologie e.V. (API).
Kernaussage der Leitlinie
„Die molekulargenetische Diagnosesicherung kann bei primären Immundefekten für die Behandlung und Beratung von Patienten und deren Angehörigen notwendig sein. Die genetische Diagnostik von primären Immundefekten soll nach begründeter ärztlicher Indikationsstellung in enger Zusammenarbeit mit einem in der Diagnostik und Behandlung von Immundefekten erfahrenen Arzt und nach Durchführung einer genetischen Beratung erfolgen.“[25]
Neugeborenen-Screening
Das Neugeborenen-Screening wurde 1969 eingeführt, um schwere Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und die passende Therapie umgehend einzuleiten.[26,44] Im August 2019 wurde der schwere kombinierte Immundefekt (SCID) in das bundesweite Screening eingeschlossen, da betroffene Säuglinge schon bei der ersten Infektion lebensbedrohlich erkranken können.[26] Für das Screening wird im Alter von 36 bis 72 Lebensstunden Kapillarblut aus der Ferse entnommen und auf eine Testkarte getropft.[26] Wird ein positiver Befund übermittelt, sollte dieser in spezialisierten immunologischen Einrichtungen, den CID-Zentren oder CID-Kliniken, bestätigt werden. Entsprechende Einrichtungen sind auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Immunologie e.V. (API) gelistet.[26] Die neonatale Diagnosestellung hat das Überleben der Kinder mit SCID von < 50 % auf > 90 % verbessert. [26]
Die Leitlinien finden sie hier.