Klassifizierung

Die International Union of Immunological Societies (IUIS) klassifiziert primäre Immundefekte in regelmäßigen Abständen. Nach ihrer Pathogenese werden sie in zehn Kategorien eingeordnet.[45]

Die Daten des deutschen Registers zeigen, dass bei den Betroffenen in Deutschland überwiegend Immundefekte mit vorherrschendem Antikörpermangel vorliegen (57 %).[11]
Einordnung primärer Immundefekte in Deutschland (PID-NET Registry; n = 2.453) in die IUIS-Klassifikation.[11]

Einordnung primärer Immundefekte in Deutschland (PID-NET Registry; n = 2.453) in die IUIS-Klassifikation.[11]

Von den 70 unterschiedlichen in Deutschland dokumentierten PIDs, machen die zwölf häufigsten zusammen etwa 74 % aller Diagnosen aus.[11]

  • Variables Immundefektsyndrom (CVID, 30 %)
  • Nicht-klassifizierter Antikörpermangel (11 %)
  • Chronische Granulomatose (5 %)
  • Agammaglobulinämie (5 %)
  • IgG-Subklassendefekt (3 %)
  • Schweres kombiniertes Immundefektsyndrom (SCID, 3 %)
  • Nicht-klassifizierte Immundefekte (3 %)
  • Kombiniertes Immundefektsyndrom (CID, 3 %)
  • Selektiver IgA-Mangel (3 %)
  • Ataxia Telangiectasia (3 %)
  • DiGeorge-Syndrom (3 %)
  • Hyper-IgE-Syndrom (2 %)


[11]

Variables Immundefektsyndrom (CVID)

Das variable Immundefektsyndrom (CVID, Common Variable Immunodeficiency) beschreibt eine Gruppe von Defekten der adaptiven Immunabwehr. CVID wird durch niedrige Serumkonzentrationen von IgG, IgA und/oder IgM charakterisiert. Die Folgen sind u. a. rezidivierende sino-pulmonale Infektionen, Autoimmun- oder granulomatöse Erkrankungen, gastrointestinale Beschwerden und ein erhöhtes Risiko für Malignome (z. B. Magenkarzinome oder Lymphome).[30]

Therapie: Immunglobulinsubstitution, (prophylaktische) Antibiotikagabe

 

Nicht-klassifizierter Antikörpermangel

Primäre Antikörpermängel ohne identifizierten monogenetischen Ursprung bilden die heterogenste Gruppe der primären Immundefekte.[18] Patienten bleiben oft jahrelang unerkannt, und viele werden erst im Erwachsenenalter nach mehreren Infektionen mit dem Risiko struktureller Komplikationen ärztlich behandelt.[18] Die Entscheidung über eine Immunglobulinsubstitution sollte sich nach dem Grad des IgG-Mangels und der Schwere der Infektionen richten.[15]

Therapie: ggf. Immunglobulinsubstitution

Chronische Granulomatose

Die chronische Granulomatose ist ein Defekt des angeborenen Immunsystems und zeichnet sich durch eine Fehlfunktion der Phagozyten aus.[14] Diese ungenügende Funktion führt zu einer erhöhten Anfälligkeit für Bakterien und Pilze, die zu schweren, rezidivierenden Infektionen führen kann.[30] Zudem kommt es zur Bildung von Granulomen, die so groß werden können, dass sie Magen, Speiseröhre oder Blase blockieren können.[22]


Therapie: (prophylaktische) Antibiotikagabe, (prophylaktische) Antimykotikagabe

X-chromosomale Agammaglobulinämie

Die x-chromosomale Agammaglobulinämie, auch Morbus Bruton genannt, ist ein B-Zell-Defekt, bei dem die Reifung der B-Zellen beeinträchtigt ist. Das wirkt sich auf die Bildung von IgG, IgA und IgM aus. Da die Immunglobuline nicht eigenständig gebildet werden können, manifestiert sich dieser Defekt ab etwa vier Monaten nach der Geburt, wenn der Nestschutz nachgelassen hat. Lebensbedrohliche und rezidivierende Infektionen sind die Folge.[32,29]


Therapie: Immunglobulinsubstitution, Knochenmarktransplantation, (prophylaktische) antimikrobielle Therapie

IgG-Subklassendefekt

Immunglobulin-G-Subklassendefekte sind durch eine unzureichende Antikörper-vermittelte Immunabwehr charakterisiert.[22] Dabei sind eine oder mehrere IgG-Subklassen (IgG1, IgG2, IgG3 und IgG4) von einer defizitären Expression betroffen. Häufige und/oder gravierende bakterielle Infektionen der Atemwege, aber auch allergisches Asthma, allergische Rhinitis und Autoimmunerkrankungen können auftreten.[34]


Therapie: Antibiotika, Immunglobulinsubstitution

Schwerer kombinierter Immundefekt (SCID)

Der schwere kombinierte Immundefekt (SCID, Severe Combined Immunodeficiency) gehört zu den schwerwiegendsten primären Immundefekten, da sowohl die zelluläre als auch die humorale Immunabwehr beeinträchtigt ist: Die T- und B-Zelldifferenzierung aus den Stammzellen ist fehlerhaft.[22] Betroffene zeigen bereits im ersten Lebensjahr gravierende, rezidivierende Infektionen durch opportunistische Erreger und Gedeihstörungen, z. T. auch neurologische Störungen.[30] SCID wird als pädiatrischer Notfall eingestuft und ist daher seit August 2019 im Neugeborenen-Screening inbegriffen.


Therapie: Immunglobulinsubstitution, antimikrobielle Prophylaxe, Knochenmarktransplantation, Gentherapie

Nicht-klassifizierte Immundefekte
Unter dieser Kategorie werden Patienten zusammengefasst, die das klinische Profil eines Immundefizits aufweisen, bei denen jedoch kein spezifischer Defekt im Labor nachgewiesen wurde.[11]
Kombiniertes Immundefektsyndrom (CID)

Weniger schwere kombinierte Immundefekte, die typischerweise keine frühe Mortalität mit sich bringen, wie bspw. das Wiskott-Aldrich-Syndrom oder die X-chromosomale lymphoproliferative Erkrankung, werden unter dem Begriff CID (Combined Immunodeficiency) zusammengefasst.[30] Sie manifestieren sich meist später während der Kindheit in Form wiederkehrender Infektionen und anderer Befunde, abhängig vom spezifischen Syndrom.[30]

Therapie: Immunglobulinsubstitution, (prophylaktische) antimikrobielle Therapie, Knochenmarktransplantation, Stammzelltransplantation, in einigen Fällen Gentherapie

Selektiver IgA-Mangel

Selektiver IgA-Mangel ist durch niedrige oder fehlende IgA-Serumspiegel bei normalen IgG- und IgM-Spiegeln gekennzeichnet. Die meisten Menschen mit IgA-Mangel sind asymptomatisch, einige jedoch leiden an wiederkehrenden Infektionen, vor allem der Atemwege und des Gastrointestinaltrakts.[30,52]

Therapie: ggf. prophylaktische antimikrobielle Therapie, u. U. Versuch mit Immunglobulinsubstitution

Ataxia teleangiectatica (Louis-Bar-Syndrom)

Ataxia teleangiectatica (Louis-Bar-Syndrom) ist eine komplexe Störung mit erheblichen individuellen Unterschieden in der Ausprägung der Merkmale.[36] Die ersten neurologischen Symptome treten meist in der frühen Kindheit auf, wenn die Kinder zu sitzen oder zu gehen beginnen.[36] Patienten mit Ataxia teleangiectatica haben eine erhöhte Prädisposition für Krebserkrankungen, insbesondere lymphatischen Ursprungs.[36] Außerdem weisen sie immunologische Anomalien auf, einschließlich Immunglobulinmangel sowie Lymphopenie.[36] Lungenerkrankungen und Probleme mit der Nahrungsaufnahme sind häufig, und es können auch dermatologische und endokrine Manifestationen auftreten.[36]


Therapie: Symptomatische und supportive Therapie der neurologischen Störungen, ggf. Antibiotika oder Immunglobulinsubstitution

DiGeorge-Syndrom

Die Ausprägungen des DiGeorge-Syndroms, auch Mikrodeletionssyndrom 22q1 genannt, betreffen alle medizinischen Fachbereiche.[31] Viele Patienten mit DiGeorge-Syndrom haben eine leichte bis mittelschwere Immunschwäche, und die Mehrheit weist eine Herzanomalie auf.[31] Weitere Merkmale sind Nierenanomalien, Augenanomalien, Hypoparathyreoidismus, Skelettdefekte und Entwicklungsverzögerungen.[31]

Therapie: Therapie des Immundefekts je nach Ausprägung mit prophylaktischer antimikrobieller Therapie, Immunglobulinsubstitution, Knochenmarktransplantation oder Thymustransplantation; weitere Therapie entsprechend Organbeteiligung [9]

Hyper-IgE-Syndrom

Das Hyper-IgE-Syndrom ist durch Staphylokokkeninfektionen der Haut, der Knochen und der Lunge, Knochenanomalien und hohe IgE-Werte gekennzeichnet.[30]

Therapie: Prophylaktische antimikrobielle Therapie, Stammzelltransplantation

Was sind typische Warnzeichen?

Was sind typische Warnzeichen?

Symptome, die auf einen primären Immundefekt hinweisen.

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Wie werden PID diagnostiziert?

Wie werden PID diagnostiziert?

Vom IgG-Spiegel bis zur molekulargenetischen Diagnostik.

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Welche Therapie-
optionen gibt es?

Welche Therapie-<br>optionen gibt es?

Therapieoptionen zur Behandlung primärer Immundefekte.

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